Jenseits von Afrika: Wiesbadener Zemke erlebt Glücksmomente mit MTN Qhubeka

Mit Beginn des Jahres 2012 hat sich der Wiesbadener Jens Zemke als Sportlicher Leiter des südafrikanischen Continental–Rennstalls MTN Qhubeka auf exotisches Radsport-Terrain begeben.

Das Team, bei dem ausschließlich afrikanische Fahrer aus Ländern wie Südafrika, Namibia, Ruanda und Äthiopien unter Vertrag stehen, hofft in der Saison 2013 in die zweite Liga aufsteigen zu können und dann als ProContinental-Team an den Start gehen zu können.

Zusätzlich führt der 45-jährige Zemke – gemeinsam mit seinem Landsmann Ronny Lauke – das Frauen-Team Spezialiced–Lululemon, das aus dem äußerst erfolgreichen HTC-Highroad-Rennstall hervorging. Bei dem am Ende der vergangenen Saison aufgelösten US-Rennstall war Zemke sowohl für die sportliche Leitung der Frauen als auch der Männer zuständig. Zuvor stand der Hesse zwei Jahre beim Schweizer Cervélo TestTeam und sieben bei der Frauen-Equipe Nürnberger Versicherung unter Vertrag.

Im radsportkompakt-Interview spricht der mehrmalige deutsche Bergmeister und Sieger der Hessen-Rundfahrt 1998 über die neue Aufgabe mit dem südafrikanischen Rennstall und wie sich die Doppelfunktion bis dato gestaltete.

Hallo Herr Zemke, seit gut einem halben Jahr sind Sie, neben Ihrer Funktion bei der Frauen-Equipe Spezialiced–Lululemon, auch für das südafrikanische MTN Qhubeka verantwortlich. Wie kam es zu diesem durchaus exotischen Engagement?

Jens Zemke: Nachdem der HTC-Highroad-Rennstall zum Jahresende seine Pforten geschlossen hat, musste ich mir einen neuen Job als Sportlicher Leiter suchen. Ich bekam ein Angebot aus Südafrika vom Team MTN Qhubeka. Im Dezember bereits konnte ich mir einen ersten Eindruck vom Team und der Philosophie der Sponsoren machen. Das größte Telekommunikationsunternehmen Afrikas unterstützt die Mobilität der jungen Generation.

Wie sieht diese Unterstützung denn genau aus?

Jens Zemke: Es soll allen Kindern ermöglicht werden mit Fahrrädern zur Schule zu gelangen, da sie oft etliche Stunden laufen müssen. Da sich die Eltern meistens so einen Luxus nicht leisten können, hat Qhubeka eine Initiative ins Leben gerufen, dass Kinder kleine Bäume pflanzen, oder Müll trennen und sich somit ein Fahrrad selber verdienen können. Ich war in den Townships von Johannesburg vor Ort und war berührt, welche Ausmaße diese Kampagne hat.

Welche Rolle spielt dabei das Team MTN Qhubeka?

Jens Zemke: Das Ganze funktioniert nur mit Vorbildern und das Team will zeigen, was man alles erreichen kann. Ich war von Anfang an davon überzeugt, dass Afrikaner auch schnell Radfahren können müssen, wenn sie schon alle Marathons mit den Beinen dominieren. Von den meisten Rennveranstaltern wurden wir jedoch abgelehnt oder es wurde gefragt, ob wir denn auch einen Fahrer ins Ziel bringen könnten. Die Bilanz nach drei Monaten mit dem Team sieht anders aus.

Inwiefern?

Jens Zemke: Reinard Janse van Rensburg hat die meisten Siege der UCI-AfrikaTour und lagen – gemessen an der Anzahl der Siege – noch vor europäischen Topsprintern wie André Greipel oder Tom Boonen. Das Team hat es geschafft mit einem Minibudget von Platz 170 auf 33 in der Weltrangliste zu klettern – immerhin vor etablierten Profiteams. Die Mannschaftswertung der AfrikaTour führen wir souverän an.

Also hat das Team alle Skeptiker Lügen gestraft?

Jens Zemke: Auch wenn wir am Anfang oft mit Jamaikas Bobteam verglichen wurden, so werden wir jetzt meistens bei unseren Rennen als Favoriten genannt. Am letzten Wochenende gewannen wir das von der UCI 1.1 kategorisierte Rennen Zeeland Seaports in Holland vor den beiden Rabobank-Topsprintern Lars Boom und Marc Renshaw. Die Fahrer europäischer Rennen müssen sich erst noch daran gewöhnen, einen schwarzen Fahrer in einer Spitzengruppe eines Radrennens zu sehen.

Sie wirken sehr zufrieden!

Jens Zemke: Ich habe tolle Glücksmomente erlebt, denn es war überall das erste Mal, dass ein Afrikaner gewonnen hat. Meine Jungs sind jetzt erst einmal zurückgeflogen, bevor sie im August wieder ins Teamhaus nach Belgien anreisen, wo zusammen gekocht, trainiert, geputzt, gelacht und gewonnen wird.

Parallel dazu betreuen sie, zusammen mit Ronny Lauke, noch die Frauen-Equipe Spezialiced–Lululemon. Wie lassen sich beide Funktionen unter einen Hut bringen?

Für die Mädels habe ich die ersten drei Monate der Saison übernommen. Dazu zählten die Trainingslager in Kalifornien und auf Mallorca, die Katar-Rundfahrt, die ersten Rennen in Belgien (z.B. Omloop Het Niewsblad). Anschließend der Weltcup und die Rennen in den Niederlande, der Weltcup in Italien, die Flandern-Rundfahrt…alles in allem sehr, sehr erfolgreich. Im Anschluss waren dann zehn Wochen meine Jungs aus Afrika an der Reihe, momentan wieder zwei Monate Frauen mit Bira-Rundfahrt, Giro d’Italia der Frauen und zum Finale nochmals sechs Wochen mit den Männern. Eine sehr anstrengende, aber schöne Doppelbelastung. Und solange der sportliche Erfolg da ist, macht das Ganze natürlich auch einen Riesenspaß. Zumindest bleiben die Wintermonate, um den Akku wieder aufzuladen.

Herr Zemke, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg mit den beiden Teams.

Foto: MTN Qhubeka

Webseite des Teams MTN Qhuebeka: www.qhubeka.org

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