Der Sport allein ist machtlos: Die Lehren aus dem Fall Contador

Vom Rad geholt: Alberto Contador ist für zwei Jahre gesperrt -Foto: © Luis Barbosa / nuestrociclismo.comFast 18 Monate nach der Abgabe einer positiven Dopingprobe auf die bei Asthmaerkrankungen verwendete Substanz Clenbuterol bei der Tour de France 2010, hat der Internationale Sportgerichtshof CAS in Lausanne Alberto Contador doch noch gesperrt.

Damit endet – zumindest sportgerichtlich – eine eineinhalbjährige Posse um den jetzt nur noch zweimaligen Tour-de-France-Sieger aus Spanien, deren Verlauf einmal mehr aufzeigt, woran es einem seriösen Kampf gegen Doping im Leistungssport mangelt.

Alle Erfolge des 29-jährigen Madrilenen seit dem 21. Juli 2010 werden aus den Ergebnislisten wieder gelöscht. Den Tour-Sieg 2010 bekommt der Luxemburger Andy Schleck, neuer Gesamtsieger des Giro d’Italia 2011 ist der Italiener Michele Scarponi. Jener Scarponi, der wie Contador auf der Liste des Madrider Doping-Gurus Eufemiano Fuentes gestanden haben soll. Im Gegensatz zu Contador gestand der Italiener diesen Kontakt ein und wurde im Jahr 2007 dafür für zwei Jahre gesperrt. Contadors Name wurde auf der ominösen Fuentes-Liste fortan nicht mehr gesehen.

Contador konnte im Gegensatz zum deutschen Tischtennisspieler Dimitri Ovtcharov nicht wissenschaftlich fundiert nachweisen, dass das im Missbrauch auch zur Kälbermast verwendete Clenbuterol durch ein verunreinigtes Stück Rindfleisch in seinen Körper gelangt war. Dies konnte Ovtcharov durch mehrere Gutachten empirisch belegen – Contador nicht. Auch wenn Contadors Blut nur den minimalen Wert von 50 Picogramm (entspricht 0,000 000 000 05 Gramm pro Milliliter) der auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA stehenden Substanz aufwies, so war seit Jahren in der spanischen Pyrenäen-Region kein Clenbuterol-Fall in der Kälbermast mehr aufgetreten. Von dort will der Iberer das fragwürdige Stück Fleisch bezogen haben.

Überführungsquote mangelhaft

Mit seinem Urteilsspruch hat der CAS dem Radsport und dem Anti-Doping-Kampf zumindest ein kleines Stück Glaubwürdigkeit zurückgegeben. Dass es nun ausgerechnet Branchenprimus Contador getroffen hat, darf in diesem Zusammenhang mehr als Unfall denn als Sensation abgetan werden. Wer immer noch dem Glauben verfallen ist, Doping im Hochleistungssport sei ein Phänomen weniger Unbelehrbarer, der irrt. Von einer sportartübergreifenden Dopingdichte von 40–60% gehen Experten wie der Mainzer Sportmediziner Prof. Perikles Simon im Leistungssport inzwischen aus. Erwischt werden dabei nur noch die Ungewieften, lediglich 2% gehen den Dopingfahndern ins Netz. Sportler und ihr dopingunterstützendes Umfeld sind der Analytik zumeist einen entscheidenden Schritt voraus und die finanziellen Mittel der Dopingjäger unzureichend.

Der eigentliche Skandal der Causa Contador ist jedoch, dass exakt 565 Tage ins Land gehen mussten, bis ein endgültiger Urteilsspruch gefällt werden konnte. Dies ist unter anderem dem Umstand geschuldet, dass Contador nationaler spanischer Verband RFEC nie ein großes Interesse hatte, seinen Vorzeigeathleten auf eigenes Geheiß von der Straße zu holen. Zwar sperrte der RFEC Contador kurzweilig, ließ seinen Volkshelden nach kurzer Zeit jedoch wieder auf sein Velo, was wiederum den Weltverband UCI und die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA auf den Plan rief. Dass die UCI erst auf medialen Druck hin überhaupt tätig wurde, untermauert die Systemanfälligkeit umso mehr. Der Weg nach Lausanne war der einzig vertretbare Schritt.

Der Sport braucht Hilfe

So offenbart der Fall Contador einmal mehr, woran es dem Kampf gegen Doping mangelt: an einer unabhängigen Kontroll- und Sanktionsinstanz sowie der klaren Unterstützung von Wirtschaft und Politik. Die WADA stellt zwar solch eine Instanz dar, doch fehlen ihr einfach die rechtlichen und finanziellen Mittel, um den ganzen Sport unter ihre Obhut und Sanktionshoheit zu bekommen. Würde nur ein Bruchteil von Sponsorengelder der großen Wirtschaftsunternehmen in die Anti-Doping-Forschung beziehungsweise Verfolgung von Dopingsündern gesteckt, wäre dem Sport schon ein großer Gefallen getan.

Sofern ein wirkliches Interesse an einem sauberen Sport besteht, so sind Akteure aus Sport, Wirtschaft und Politik gleichermaßen gefordert, sich an einem effektiven Anti-Doping-Kampf zu beteiligen – denn der Sport allein schafft es nicht, sich von der Geisel Doping zu befreien.

Foto: © Luis Barbosa / nuestrociclismo.com

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