Eine Tour für die Geschichtsbücher

Abschluss-Podium der 98. Tour de France: Cadel Evans (BMC Racing) eingerahmt von Andy und Fränk Schleck (beide Leopard-Trek) - Foto:  ©BMC/Tim de WaeleDas Abschluss-Podium der 98. Tour de France hat nicht nur wegen dem ersten australischen Gesamtsieger Cadel Evans einen Eintrag in die Geschichtsbücher sicher.

Neben dem ersten australischen Gesamtsieger Evans (BMC Racing) betrat mit den beiden Luxemburgern Andy und Fränk erstmals ein Brüderpaar das Abschluss-Podium eine Frankreich-Rundfahrt. Der jüngere der beiden Leopard-Trek-Profis, der 26-jährige Andy, brachte zudem das Kunststück fertig, dreimal in Folge die Tour als Gesamtzweiter zu beenden.

Auch der 34-jährige Evans, zugleich der drittälteste Toursieger der Geschichte, hatte die Rundfahrt zuvor zweimal, 2006 und 2007, auf dem Platz des ersten „Verlierers“ beendet. In diesem Jahr erwies sich der ehemalige Moutainbiker als der konstanteste der Siegesanwärter und somit als der verdiente Sieger der „Großen Schleife“ 2011. „Ich habe viel Kritik kassiert in den vergangenen Jahren“, so der oft als ewiger Zweiter verspottete Wahl-Schweizer, der seinen größten Sieg seinem im Vorjahr verstorbenen Trainer Aldo Sassi widmete.

Zwei Edelhelfer und zwei Etappensieger

Mit dem Zschopauer Marcus Burghardt hatte auch ein Deutscher nicht unbedeutsamen Anteil am Gesamtsieg des Weltmeisters von 2009: Am berüchtigten Col de Galibier war Burghardt, selber Tour-Etappensieger des Jahres 2008, auf der 18. Etappe umgekehrt, um seinem Kapitän Evans zu helfen, der nach mechanischen Problemen am Rad viel Boden verloren hatte. Burghardts Landsmann Jens Voigt, ebenfalls schon Etappensieger, hatte bei seiner 14. Tour-Teilnahme vor allem im Hochgebirge großen Anteil an den Podiumsplätzen der Schleck-Brüder. Der 39-jährige Wahl-Berliner hängt entgegen seiner ursprünglichen Absicht noch ein Jahr dran und könnte im nächsten Jahr zum deutschen Rekord-Teilnehmer aufsteigen.

Auch in Abwesenheit eines deutschen Profi-Teams, erstmals seit 1992 übrigens, machten die zwölf deutschen Fahrer positiv auf sich aufmerksam. Die Etappensiege des Rostockers André Greipels (Omega Pharma-Lotto) auf der 10. Etappe, sowie der Sieg des Cottbusers Tony Martin (HTC-Highroad) beim Zeitfahren der 21. Etappe haben ihren Platz in den Tour-Annalen sicher. Vor allem Martin konnte die Frankreich-Rundfahrt 2011 noch versöhnlich beschließen, die er ursprünglich unter den ersten Zehn beenden wollte. Doch Stürze und Krankheiten machten dem Wahl-Schweizer bei dessen eigens hochgesteckten Zielen einen Strich durch die Rechnung.

Ähnliches Schicksal ereilte Andreas Klöden (RadioShack), der nach mehreren Stürzen auf der 13. Etappe entkräftet aufgeben musste. Zuvor zeigte der 36-Jährige und zweimalige Gesamtzweite eine souveräne Vorstellung und galt als Podiumskandidat. Elf der zwölf am 2. Juli in der Vendée angetretenen deutschen Profis erreichten das Ziel in der französischen Hauptstadt.

Voeckler begeistert die Franzosen

Das Herz der Einheimischen eroberte zum zweiten Mal nach 2004 der Elsässer Thomas Voeckler (Europcar), der die Rundfahrt auf Platz vier abschloss – die beste Platzierung eines Franzosen seit dem Jahr 2000. Zehn Tage durfte der 32-Jährige der Grande Nation zudem das „Maillot Jaune“ präsentieren und musste dieses erst nach der letzten Bergankunft an Andy Schleck weitergeben. Sein Landsmann und Teamkollege Pierre Rolland durfte sich neben dem Sieg der legendären Alpe-d’Huez-Etappe auch über der Weiße Trikot des besten Jungprofis freuen.

Auch zwei Norweger drückten der Tour ihren Stempel auf: Edvald Boassan Hagen (Sky) konnte wie sein Landsmann Thor Hushovd jeweils zwei Tagessiege in seinen Palmarès verbuchen, rechnet man den Sieg der Garmin-Cervélo-Mannschaft hinzu kommt Hushovd gar auf drei Etappensiege. Zudem durfte der 33-Jährige sein Weltmeister-Trikot sieben Tage gegen das „Maillot Jaune“ eintauschen.

Das Nonplusultra in den Sprintentscheidungen war wieder einmal der Brite Marc Cavendsih vom US-Team HTC-Highroad. Fünf Tageserfolge konnte der 26-Jährige auf den Flachstücken eintüten, was die Zahl seiner Tour-Etappensiege auf insgesamt 20 ansteigen ließ. Als besonderes Souvenir bringt der damit erfolgreichste Sprinter der Tour-Geschichte erstmals das Grüne Trikot des Punktbesten mit auf die Isle of Man, das er sich durch seinen dritten Sieg auf dem Champs-Élysées sichern konnte.

Nur Russe Kolobnev fliegt auf

Mit dem Russen Alexandr Kolobnev (Katusha) wurde bisher nur ein Fahrer der 198 angetretenen positiv getestet. Dem zweimaligen Vize-Weltmeister und Olympia-Dritten von Peking konnte auf der 5. Etappe das Medikament Hydrochlorothiazid (HCT) nachgewiesen werden, das häufig zur Maskierung anderer Doping-Substanzen benutzt wird, jedoch nicht auf der Dopingliste des Weltverbandes UCI steht. Kolobnev strich von sich aus die Segel und stellte sich der französischen Polizei zum Verhör. Hoffnungsvoll stimmen auch Vergleiche mit den vergangenen Jahren, in denen ein viel stärkeres Gefälle zwischen den Spitzenfahrern und dem Rest des Feldes festzustellen war.

Langsamer, dafür sauber?

Dass der in Fachkreisen als „sauber“ geltende Voeckler lange im Hochgebirge mithalten konnte untermauert diese Vermutung, auch wenn Doping-Experte Wilhelm Schänzer mahnt, die Tour nur wegen eines langsameren Schnitts als Sauber zu deklarieren. „Ich wäre vorsichtig, ob ein langsamerer Tour-Schnitt auf eine sauberere Rundfahrt hindeutet“, sagte Schänzer gegenüber der ARD. Dass aufgrund der vielen aufgeflogenen Betrüger ein Umdenken in den Köpfen der Fahrer stattgefunden hat, hält Schänzer indes für nicht abwegig: „Die Tour-Kontrollen wurden erhöht, daher ist sicherlich auch die Abschreckungswirkung größer“, so der Doping-Experte weiter.

Ich will keine voreiligen Schlüsse ziehen, aber es ist ein Fakt, dass das Plateau de Beille und L’Alpe d’Huez wesentlich langsamer erklommen wurden als früher“, schloss sich Tour-Chef Christian Prudhomme dieser Meinung indirekt an. Es bleibt zu hoffen, dass die Tour 2011 zumindest in dieser Hinsicht von einem weiteren Eintrag in ihre Geschichtsbücher verschont bleibt.

Foto: ©BMC/Tim de Waele

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.