Sturz-Chaos im Zentralmassiv

Karriereende nach Sturz? Alexander Winokurow - Foto: Romina MoorenDas Sportliche geriet auf der 9. Etappe der 98. Tour de France fast zum Beiläufigen, schwere Stürze bestimmten erneut das Tagesgeschehen.

Ein böser Massensturz und die lebensgefährliche Dummheit eines Fahrers eines französischen TV-Fahrzeugs prägten den 208 Kilometer langen Tagesabschnitt durch das Zentralmassiv von Issoire nach Saint Flou, den gleich neun Fahrer nicht beendeten. Dass es am Ende „nur“ bei Knochenbrüchen blieb, grenzt den Aussagen einiger Beteiligter nach an ein Wunder.

„Die Tour wird immer größer und immer wilder, die Straßen immer enger“, monierte später HTC-Highroad-Teamchef Rolf Aldag. „Mir scheint, dass immer mehr unqualifizierte Leute hier rumfahren. Das muss dringend geändert werden“, so Aldag weiter. Mit Tony Martin war auch einer seiner Schützlinge in den Massensturz verwickelt, der sich auf der Abfahrt vom Col du Pas de Peyrol ereignete.

Karriere-Aus für Winokurow?

Am Schlimmste erwischte es bei dem Sturz den Kasachen Alexander Winokurow (Astana) sowie den belgischen Podiumskandidaten Jürgen Van Den Broeck (Omega Pharma-Lotto). Bei dem Sturz wurde Winokurow, am Vortag noch in Tuchfühlung zum Tagessieg, in die Böschung geschleudert, nachdem andere Fahrer offenbar auf nasser Straße weggerutscht waren.

Von zwei Teamkameraden und einem Mannschaftsbetreuer musste der 37-jährige Winokurow aus dem Wald geborgen werden. Die spätere Diagnose Oberschenkelbruch im linken Bein dürfte das vorzeitige Karriere-Aus für den Astana-Kapitän bedeuten. „Bei diesem Sturz müssen wir froh sein, dass er noch lebt“, relativierte Astana-Sprecherin Blandine Roquelet später auch diese Gegebenheit. Der Belgier Van den Broeck, Gesamtfünfter des Vorjahres, erlitt Kopfverletzungen und einen Schulterblattbruch.

Neben HTC-Profi Martin war mit dessen Landsmann Andreas Klöden ein weitere Deutscher Fahrer mit Podiumschancen in den Sturz verwickelt. Der zweimalige Gesamtzweite der Frankreich-Rundfahrt wurde nach Etappenende zur Vorsicht zum Röntgen ins Krankenhaus gebracht. Der Lausitzer erlitt schwere Prellungen. Ob der ehemalige T-Mobile-Profi die Tour fortsetzen kann, soll am heutigen Ruhetag entschieden werden.

TV-Fahrzeug rammt Flecha und Hoogerland

„Gekrönt“ wurde das Sturz-Chaos schließlich durch die Dummheit eines Fahres des französischen Fernsehns, der beim Versuch die fünfköpfige Spitzengruppe um Tagessieger Samuel Sanchez (Rabobank) und dem neuen Gesamtführenden Thomas Voeckler (Europcar) zu überholen, den Spanier Juan Antonio Flecha (Sky) rammte. Der Spanier verlor die Kontrolle über sein Velo, stürzte und riss den Niederländer Johnny Hoogerland (Vacansoleil-DCM) mit.

Hoogerland flog kopfüber in einen Stracheldrahtzaun am Straßenrand und erreichte, wie auch Fluchtgefährte Flecha, mit blutüberströmten Wunden das Tagesziel. Tour-Kommissäre und Tourdirektion beschlossen noch am Abend den Ausschluß des Fahrzeugs. Unter Tränen nahm Hoogerland bei der anschließenden Siegerehrung das gepunktete Trikot des besten Bergfahrers entgegen, das er sich nach nur einem Tag wieder vom US-Amerikaner Tejay van Garderen (HTC-Highroad) übernehmen konnte.

Froh war der 28-jähriger Niederländer wohl vor allem darüber, den Tag überhaupt einigermassen „unbeschadet“ überlebt zu haben. Dies brachte später der Australier Cadel Evans sichtlich benommen zum Ausdruck: „Nach dem, was in diesem Jahr passiert ist, hat mich das heute sehr mitgenommen und die ganze Etappe über beschäftigt“, sagte der BMC-Racing-Kapitän, im Gesamtklassement nun Dritter hinter Voeckler und Sanchez.

Foto: Romina Mooren

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