Roger Kluges Tour-Tagebuch: Gruppenfoto verpasst, dafür die Berge geschafft

Roger Kluge (IAM)Die Berge sind geschafft! Vogesen, Alpen und Pyrenäen liegen hinter mir. Aber vorher musste ich eben noch den Tourmalet hinter mir bringen und hinauf zur Bergankunft nach Hautacam radeln.

Gestartet sind wir in Pau. Da wir nur sechs Kilometer vom Start weg unser Hotel hatten, entschied ich mich gemütlich mit Rad durch die Stadt dort hin zu rollen. Ich war da, aber unser Bus kam erst 15 Minuten später. Ich wartet an der Einschreibkontrolle bis sie öffnete und war mal, im Gegensatz zum sonst einer der Letzten, der erste der sich eingeschrieben hat!

Kurz vor dem Start wollten wir mit allen Deutschen ein Gruppenfoto machen, so war es am Vortag ausgemacht, 15 Minuten vor dem Start. Und ich meinte zu Voigte noch gestern, nimm die Sache mal in die Hand und erinnere alle dran. Weil, von einem wie mir, der sonst erst wirklich kurz vor dem neutralen Start sich hinten anstellt ans Feld, zu erwarten, das der dann 15 Minuten vorher schon da ist, ist eine unsichere Angelegenheit. Und so war es dann auch. Ich war der einzige, der „verschlafen“ hatte. Ich kam wie üblich erst drei Minuten vor dem Start vor gerollt. Sie hatten zwar noch gewartet, aber waren dann eben doch schon fertig! Sorry Männer!

Nach einer kurzen neutralen Phase, gingen die Attacken wieder los. Die ersten fünf bis zehn Kilometer beinhalteten zwei kleine Wellen, was für mich hieß, einfach festbeißen. An selber attackieren oder mitspringen war da nicht zu denken. Es bildete sich wieder eine rund 20 Mann starke Spitzengruppe. Wir fahren mit Chava und Marcel vertreten, was anfangs sehr gut aus. Der Bestplatzierte hatte auch ein knappe halbe Stunde Rückstand im Gesamtklassement, so das man hätte annehmen können, Astana lässt die Gruppe durch aus auf zehn Minuten vorne weg. Aber dem war leider nicht so.

Sie schlugen nicht so ein Tempo an, wie Katusha Tags zuvor, aber dennoch hielten sie den Abstand auf nur drei bis vier Minuten. Da war klar, das Nibali noch mal allen zeigen muss, wie gut er ist und die Etappe gewinnen will! So waren die Kilometer zum Fuße des Tourmalet mal wieder nicht so einfach, wie ich es und auch einige Andere, erhofft hatten. Es ging schon noch, aber an jeder kleinen Welle haben die Jungs von Astana den Tempomat drin gelassen. Autsch! Die ersten fünf km vom Anstieg gingen noch, da es nur so um die fünf Prozent Steigung waren und es auch kurz flach beziehungsweise leicht abfallend war.

Als es steiler wurde, hörte man sofort die „Gruppetto-Rufe“, und ich befand mich schnell unter 40 Gleichgesinnten. Wir fuhren in aller Ruhe hinauf zum Gipfel des Tourmalet. Auf die zwölf Kilometer bis zum Gipfel verloren wir 18:30 Minuten! immer wieder unfassbar, wie schnell die Flöhe doch klettern können. In der Abfahrt und auf den paar flachen Kilometern zum Schlussanstieg gab es dann größten Kreisel (eine Gruppe aus Fahrern, die sich mit ganz kurzen Führungen abwechseln, und quasi rotieren, den ich bisher selber erlebt habe. Vielleicht waren wir auch mittlerweile 50 Mann.

Aber wenn in so einem Fall fast alle mit durch die Führungen, fällt es einem unheimlich leicht, ein hohes Tempo zu fahren. Man führt ja quasi nur fünf Sekunden, und ist dann wieder für zwei bis drei Minuten im Windschatten. So hatten wir bis zum letzten Anstieg sogar wieder Zeit gut gemacht, und lagen „nur“ noch 17 Minuten zurück. Da wir mit um die 38 Minuten Karenzzeit rechneten, konnten wir also gut weitere 20 Minuten maximal verlieren auf den 13,6 km hinauf nach Hautacam. Da man es nicht bis zur letzten Sekunden ausreizen muss, sind wir die ersten ein bis zwei noch zügig gefahren, und haben dann wieder Tempo rausgenommen. Ein paar wollten aber nicht so langsam fahren und so teilte sich das Gruppetto sogar noch mal.

Ich ließ mich auch zurückfallen und fuhr mit Kittel und Co. zusammen hoch zum Ziel. Anschließend ging es mit dem Rad wieder runter, da die Busse alle unten geparkt hatten. Das ist auch immer kleines Abenteuer, weil Tausende von Zuschauern und Hobbyradlern alle den bergab unterwegs sind. Das macht zum Teil Spaß kann aber auch gefährlich sein. Also selbst nach dem Ziel heißt es dann immer noch volle Konzentration und bremsbereit sein!

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Zum zweiten Mal nach 2010 (damals Team Milram) nimmt Roger Kluge an einer Tour de France teil. In seinem Tour-Tagebuch berichtet der 28 Jahre alte Eisenhüttenstädter von seinen Erlebnissen von der 101. Frankreich-Rundfahrt, die er im Trikot der schweizerischen IAM-Equipe bestreitet.

Webseite Roger Kluge: http://rogerkluge.com

Foto: SilkeOnTour / flickr

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